Wieso bleiben Flugzeuge in der Luft?

Neues Projekt im Gundelfinger Hort erweitert den Erfahrungshorizont der Kinder

Gundelfingen (hvg). Seit einiger Zeit
gibt es im Gundelfinger Hort ein Do-
it-yourself-Projekt: Kinder wählen
nicht nur Themen selbst, sondern su-
chen auch die Lösungen dazu weitge-
hend eigenständig. Für ihr Tun und
Denken stehen ihnen mehr Kräfte zur
Verfügung, als ihnen meist selbst be-
wusst ist. Deshalb kommt es nicht so
sehr darauf an, ihnen Antworten zu
geben oder Techniken vorzuführen.
Wenn ihr Drang, Antworten zu finden
gestärkt wird und Vorgehensweisen
selbst ausprobiert werden können,
kommen sie oft auf Lösungswege, die
ihre erwachsene Umwelt verblüffen.


Musikinstrumente selber bauen,
Kampftechniken aus Boxen, Judo und
Karate ausprobieren, Flugzeuge aus
Holz zum Fliegen bringen, chemische
und physikalische Experimente
durchführen, Tänze einstudieren –
Kinder wollen selbst aktiv werden.
Auf tausend Fragen wie: Wie kommt
das Salz ins Meer? Was bedeuten die
Punkte auf dem Marienkäfer? Wo ist
der Wind, wenn er nicht weht? su-
chen Kinder Antworten.


Clever - Cleverle
Nach diesen Grundsätzen geben
Clemens Föhrenbach, Stefanie Gohl-
ke und Tanja Gohlke im Rahmen eines
neuen Projektes „ihren“ Kindern Ge-
legenheit, ihre intellektuellen und
handwerklichen Fähigkeiten zu akti-
vieren: Die Kinder schlagen Themen
vor, die als Projektangebot aufgelistet
und ausgehängt werden. Wofür es die
meisten Meldungen gibt, das wird an-
gepackt. Dann geht die Recherche los:
Was genau wollen wir machen? Wer
kann uns helfen, kann Auskunft ge-
ben? So entstehen Begegnungen mit
einem Karatelehrer, einem Instru-
mentenbauer, einer Tänzerin. Auf
diese Weise entstehen Kontakte zu
Firmen der Umgebung, die sich meist
unterstützungsbereit zeigen. Über
diesen Ansatz kam auch die Verbin-
dung zu Wolfgang Helmeth zustande,
dem Begründer der Denzlinger „Cle-
verle“. Er wendet bei seinen Unter-
nehmungen das gleiche Prinzip an,
arbeitet allerdings in der Regel mit
einzelnen Jugendlichen (mehr unter
www.denzlinger-cleverle.de). Kürz-
lich organisierten Hortkinder für die
Kleineren der Kindertagesstätte „See-
stern“ einen Parcours zum Staunen
und Ausprobieren: An sechs Statio-
nen erklärten sie ihnen Phänomene
und ließen sie die selbst ausprobie-
ren. Neugierig sitzen die Kleinen an
den Tischen, schieben die Oberkörper


Technik-Freaks: Hortleiter Clemens Föhrenbach fachsimpelt mit Jungs über Flugzeuge in Leichtbauweise.   Fotos: Herbert Geisler

vor, um besser sehen, besser experi-
mentieren zu können. Rebecca erläu-
tert ihnen, wie mit einem Wassertrop-
fen der Lupeneffekt genutzt werden
kann, wie er, auf ein Stück straffes
Zellophan getropft, eine darunter lie-
gende Abbildung vergrößert. In einfa-
chen Worten erklärt sie, welche Rolle
das Licht und die Krümmung der
Strahlen dabei bewirken. Nach einem
Vormachen dürfen die Kleinen selber
ran, um ihren Aha-Effekt zu erleben.
Bei Marie erfahren sie etwas über
die Grundlagen des Brückenbaus, he-
runtergebrochen auf ihre Anwen-
dungspraxis: Ein Blatt Papier, auf
zwei Stützbögen gelegt, biegt sich un-
ter dem Gewicht des Spielzeugautos.
Faltet man das Blatt aber mehrfach,
gewinnt es an Festigkeit, schließlich
rollt das Matchbox-Car ohne abzu-
stürzen drüber. Von Station zu Station
gibt es Wunder auf Wunder, die sich
auf einfache Weise als naturwissen-
schaftlich erklärbares Phänomen
nachvollziehen lassen. Eine „Ge-
räuschverstärkungsmaschine“ ver-
mittelt die Funktion akustischer Wel-
len, die „Zauberei“, eine unter ein lee-
res Glas gelegte Münze „verschwin-
den“ zu lassen, indem man Wasser in
das Glas gießt, wird auf unterschied-
liche Lichtbrechung zurückgeführt.


Entdeckerfreude
Ganz nebenbei werden Schlüssel-
qualifikationen wie Kontaktbereit-
schaft und Kommunikationsfähigkeit
vermittelt. Erschien einem Kind ein
Telefonat anfangs noch als Mammut-
aufgabe, ist Telefonieren inzwischen


Was bewirkt der Wassertropfen? Marie (rechts) erläutert den Kindergar-
ten-Kindern den Lupeneffekt.


Routine. Die Frage lautet nicht mehr:
„Trau ich mich?“, sondern: „An wen
wende ich mich? Wie kriege ich die
Telefonnummer raus?“
„Der Lehrplan steckt in jedem
Kind“, sagt Wolfgang Helmeth. Die
Neugierde treibt es an. Gelegentlich
kann man ihm links oder rechts Weg-
marken abstecken, damit sein Erkun-
dungsweg nicht zu sehr mäandert.
Ansonsten gilt: Projekte wie dieses
setzen Eigendynamik frei. Weil die
Kinder so begeistert dabei sind, hat
der Hort extra seine Öffnungszeiten
verlängert. Dienstags und donners-
tags kann dort jetzt bis 18 Uhr gefragt,
gesucht und experimentiert werden.

Von Haus zu Haus, 26. Mai 2011 del