Zur Bildungsmesse in Köln

Mein erster Eindruck der Bildungsmesse - Kurz nach der Eröffnung

Der Bildungscrash steht kurz bevor:

  1. weil die Schulen autonomer werden: Die Hersteller der Lern- und Lehrmittel werden und müssen die Schulen und Lehrer überfallen und ihr Sachen verhökern. Konsequenz: Mehr Zeit für Vertreter - weniger für Schüler Clevere Hersteller wenden sich direkt an die Eltern und Schüler, um entsprechenden (zusätzlichen) Druck auf auszuüben.

  2. weil die Kinder, etwas freiheitlicher erzogen wurden wie früher und sich nicht mehr über einen Klassenkamm scheren lassen wollen.

Zwar weckt die Veranstaltung "Mit den Lernideen der Kinder Unterricht gestalten" Hoffnungen, die aber doch in ihrer Konsequenz nur frustrieren kann, wenn's halbwegs ernst gemeint ist. Konsens kann in einem Klassenverband gleichaltriger nur durch die Unterdrückung der Einzelinteressen funktionieren.

Die Geister, die durch solche Ideen und sonntäglichen Plädoyers prominenter Bildungspolitiker gerufen werden, werden das Schulklima nicht humaner gestalten.

Nun stellt sich folgende Frage: Sind wir am Schul-Bildungs-Zenit angekommen und jegliche Verbesserung kann nur durch exorbitante Anstrengungen erreicht werden?

Jakob Cizmarovic, ein 14-jähriger Kölner Schüler, Mathe und Sport 4, Deutsch etwas besser, wurde mit Jubelrufen und Beifallsstürmen gefeiert. Seine spielerische Höchstleistung überraschte höchstkarätige Bildungsexperten, die uns kurz zuvor wegen TIMSS Qualitätsverbesserung versprochen haben, und gegen eine Pädagogik der Beliebigkeit ankämpften. Jakob also, mit seinem individuellem Talent hat in der Schule keine Chance. Er wird sein Schuldasein immer bedrückender empfinden und in der Aussicht auf eine Ganztagsschule immer weniger Zeit für sein zeitraubendes Hobby bekommen. Frust wird seine Unbegabung in Mathe und Sport nicht zu schulischen Höchstleitungen entflammen. Wetten, daß er es trotz spannendsten und vergnüglichsten bildungsplanerischen Eskapaden mancher BildungspolitikerInnen nicht schaffen wird, was er uns zum Schluß der Eröffnungs-Sonntags-Reden schenkte?

Resümee

Individuelle Höchstleistungen sind auf spielerische Weise zu erreichen, wenn sie, wie die von Jakob, in einem adäquatem, interessenhomogenen Umfeld geweckt, gefördert, herausgefordert und belohnt werden. Seine Gage war mindestens dreitausend DM wert. Ich hoffe, er bekam wesentlich mehr, da er den Bildungsexperten eine "gehörige" Lektion erteilte, die sie wohl nicht verstanden haben: Daß individuelle Begabungen, die jeder im ausreichenden Maße besitzt, rechtzeitig geweckt und gefördert werden müssen und dies nicht schulisch entmündigend, sondern nur eigensinnig (individuell) geschehen kann. Leider ist aber Betriebsblindheit selbst im Bildungsbereich alltäglich. Der Mut, ungewöhnliche Wege zu gehen, den uns die engagierte Ministerin empfahl, war wohl nicht so ernst gemeint gewesen. Oder doch?

Meine Hoffnung auf ein Konzept "rheinländischer Bildung", unkonventionell und humorvoll wie der rheinländische Katholizismus, der einige Heilige hervorgebracht haben soll, muß ich wohl vorerst zu Grabe tragen. Eine Auferstehung ist wohl erst nach dem bevorstehenden Kollaps möglich.

Warum gibt es eigentlich noch keine Orientierung für Bildungsnomaden?

Bis bald Wolfgang Helmeth

Übrigens: Das Bonner "Forum Bildung" war bei der Eröffnungszeremonie keinerlei Erwähnung wert. Zu recht? Im Westen nichts Neues?

Forum Bildung, 06.11.2000 (Nicht veröffentlicht)