Qualität
Der Begriff Qualität ist (auch) im Bereich der Bildung gefährlich. Zunächst hat dieser Begriff seine allgemeine Berechtigung. Wer wird wohl Qualität ablehnen. Aber, wer allzu früh hohe Maßstäbe setzt, der kann im Bildungsprozeß Ängste hervorrufen, die dazu führen, daß man das zu behandelnde Thema auf ein relativ niedriges Niveau drückt, um Fehlerfreiheit, also Qualität zu erzielen.
Eine andere Gefahr lauert darin, die Palette der Themen zu reduzieren, um Zeit zu gewinnen, damit man sich auf wenige Fächer konzentrieren kann, um so auf ein möglichst hohes Qualitätsniveau zu kommen.
Die TIMS-Studie, die die unterschiedlichen Leistungen der Schüler international verglich, hat dazu beigetragen, die "Qualität der Bildung" zu erhöhen. Also wurde auch hier der Weg der Konzentration auf wenige Fächer vollzogen. Das Damoklesschwert von PISA mag ähnliche Effekte hervorrufen. Das aber geht auf Kosten einer breiten Förderung individueller Potentiale und fördert die Gefahr der Gleichmacherei.
Fehler müssen viel lockerer und humorvoller gesehen werden, damit die Kinder nicht aus lauter Angst, den engen Normen nicht zu entsprechen, ihre Spontaneität, Lebensfreude, Kreativität, Risikobereitschaft, Unternehmergeist und Unbefangenheit einzubüßen - und dadurch einen individuellen Qualitätsverlust erleiden.
Qualität muß man gerne anstreben wollen. Wer später im Leben oder Beruf etwas Gutes, Nützliches, Schönes und dann auch Perfektes machen will, weil er sich mit dem, was er macht identifiziert, wird natürlich auf Qualität achten. Dann ist Qualität auch nichts bedrohliches, sondern das Resultat einer gelungenen Arbeit, die Freude und Zufriedenheit, nicht aber permanente Überforderung erzeugt.
Reinhard Kahl wird in nächster Zeit sein Buch mit dem Titel "Lob des Fehlers" in Hamburg veröffentlichen. Ich bin mal gespannt, was er da geschrieben hat. Wie ich ihn kenne, wird er ähnlich, aber viel besser argumentieren.
Forum Bildung, 06.11.2000